IHA Berechnung mit BassCADe (und "1,057")

Innerhalb von Lautsprechergehäusen bilden sich Stehwellen (in der Raumakustik auch gerne Moden genannt) aus, wenn der Abstand zweier Gehäusewände der halben Wellenlänge entspricht. Das kann ganz leicht berechnet werden, indem man die Schallgeschwindigkeit (ca. 340m/s) durch die doppelte Länge der Wandabstände in Metern dividiert.

In kleinen, kompakten Gehäusen ist das wenig kritisch, da diese Stehwellen in einem Bereich auftreten, der mit gängigem Dämpfungsmaterial sehr gut bekämpft werden kann. Bei Standlautsprechern sieht die Sache schon etwas anders aus. Wenn wir als Beispiel eine innen 100cm hohe Standbox heranziehen, dann bildet sich also eine Stehwelle bei ca. 170Hz. Das liegt mitten im Grundton und macht sich z.B. häufig mit brummigen Männerstimmen bemerkbar.


Um in diesem Bereich zu wirken, benötigt man schon recht viel Dämpfung im Inneren des Gehäuses, was wiederum vor allem die Wirkung von Resonatoren (Bassreflex, TQWT usw.) beeinträchtigt und damit den Wirkungsgrad im Bass senkt. Man hat also die Wahl zwischen sattem Bass oder sauberen Stimmen, wenn man die Gehäuse einfach nur mit Watte füllt. Schlauer ist es daher, diese 170Hz Mode im inneren des Gehäuses mittels Helmholtz-Absorber zu bekämpfen. Hört sich etwas kompliziert an, ist im Endeffekt aber nur ein kleines Bassreflexgehäuse im eigentlichen Gehäuse. Am effektivsten wirkt dieser Absorber im Bereich des maximalen Schalldrucks - also direkt am Boden oder Deckel. Er wird so ausgelegt, dass er genau bei der berechneten Frequenz der Stehwelle resoniert und damit die unerwünschte Energie "schluckt".

In der Praxis muss also nur ein Teiler mit entsprechend abgestimmtem Bassreflexkanal ins Gehäuse eingebracht werden - ein Brett, mehr nicht. Nur wie berechne ich nun diesen Resonator?

 

Dazu hat Bernd Timmermanns in der Ausgabe 01/03 seiner Fachzeitschrift Hobby HiFi eine Formel veröffentlicht. Die von uns bislang auf deren Basis berechneten IHA funktionieren hervorragend. Leider ist es recht umständlich, mit solchem Formelwerk zu hantieren, und wir haben überlegt, ob man das nicht einfacher gestalten kann. Man könnte eine Excel Tabelle schreiben, aber wir wollten es gerne noch einfacher haben. Zur Ermittlung der Länge des "Ports" umgestellt, lautet die Formel: 

 

l = (234 x d²) / (f² x V) - (0,08 x d)

 

l = Länge des Ports in cm, d = Durchmesser des Ports in mm, V = Volumen des IHA in Litern, f = Abstimmfrequenz


Hier kommt die kostenlose Simulationssoftware BassCADe ins Spiel. Mit ihrer Hilfe kann man ganz einfach Bassreflexgehäuse mit beliebigen Parametern simulieren und bekommt dabei auch immer die Abstimmfrequenz angezeigt. Dazu öffnet man das Programm und lädt sich unter "Eingabe TSP" ein beliebiges Chassis in die Datenbank. Das Chassis spielt tatsächlich keine Rolle, wie ich weiter unten noch zeigen werde. Das bestätigen wir mit "OK" und wählen im Hauptmenü "Bassreflex". Danach sieht man folgende Eingabemaske:

In die hier rot markierten Felder müssen wir nun noch Daten eingeben. Ich empfehle dem Resonator etwa 10-15% Volumen der gesamten Box zu spendieren. Um es einfach zu halten sagen wir hier einfach beispielhaft 15L. Da wir nicht unnötig Geld ausgeben wollen, wählen wir als Bassreflexkanal einfach einen runden Ausschnitt in der Platte. BassCADe verlangt eine Rohrlänge von mindestens 2cm, welche wir auch in die Maske eingeben - mit 19mm Plattenmaterial ist man hier auf der sicheren Seite.


Nun fehlt noch der Durchmesser des Loches, welches uns als BR-Kanal dient. Das ist nun die Stellschraube an der wir drehen können. Je kleiner der Durchmesser, desto niedriger die Abstimmfrequenz. Starten wir einfach mal bei 5cm:

Wie man nun sehen kann, haben wir eine Bassreflexbox mit einer Abstimmfrequenz von 82,7Hz simuliert. Das ist noch recht weit weg von den oben berechneten 170Hz. Also tasten wir uns an den benötigten Durchmesser heran, indem wir ihn sukzessive vergrößern.

Das ist mehr als ausreichend genau, und wir haben nun alle Parameter die wir für einen funktionierenden IHA benötigen. Damit dieser möglichst effektiv arbeitet, sollte er relativ stark bedämpft werden, wobei große IHA weniger stark bedämpft werden sollten, als kleine. Zwischen etwa 15 und 30 Gramm pro Liter Volumen sind ideal. Eine Bedämpfung mit Polyeserwatte, z. B. dem Inhalt eines IKEA-Kissens SKÖLDBLAD, ist für die Füllung zweier IHA mit angenommenen 15 Litern genau richtig.

Wie oben schon erwähnt, möchte ich auch noch kurz zeigen, dass es wirklich nicht auf das verwendete Chassis ankommt. In meinem Beispiel habe ich mit dem Gradient CR 200, einem sehr günstigen Hifi-Tieftöner simuliert. Wählt man stattdessen einen riesigen PA-Bass wie den Faital 18XL2000 aus, ändert sich an der Simulation nichts, da es bei der Abstimmung nur auf das Gehäusevolumen, Rohrdurchmesser und -länge ankommt:

Um zu verifizieren, ob die vereinfachte Methode mit BassCADe auch in der Praxis funktioniert, haben wir die simulierten Werte in die Timmermanns'sche Formel übertragen.

Der mit Formel errechnete Port ist mit rund 1,1 cm Länge erheblich kürzer als die Simulation mit BassCADe es voraussagt. Es muss also ein Korrekturfaktor her. Um das Volumen des IHA und die Portlänge nicht zu beeinflussen, bleibt als einziger veränderbarer Parameter der Portdurchmesser übrig. Im vorliegenden Beispiel ist dieser von 160,9 mm auf 170 mm zu erhöhen, um die simulierte Portlänge von 2 cm zu erreichen. Der entsprechende Korrekturfaktor beträgt 1,057.

Im vorliegenden Beispiel muss also einfach der aus der Simulation resultierende Portdurchmesser von 160,9 Millimetern mit dem Faktor 1,057 multipliziert werden, um den korrekten Durchmesser für den IHA zu erhalten. Dieser Faktor funktioniert mit sehr großer Genauigkeit auch bei allen anderen Konstellationen. Als Beispiel sei nachfolgend eine Variante mit einer Tuningfrequenz von 200 Hz und 8 Liter Volumen genannt.

Die Simulation weist für ein IHA Volumen von 8 Litern und eine Tuningfrequenz von 200 Hz einen notwendigen Portdurchmesser von 12,38 cm aus. Die nachfolgende Kontrolle mit der Formel führt zu einem deutlich kürzeren Port.

Multipliziert man nun den resultierenden Durchmesser 123,8 mm mit dem Korrekturfaktor 1,057 ergibt sich ein Durchmesser von 130,8 mm. Die Portlänge beträgt in diesem Fall rund 2,04 cm.

Wir haben den Korrekturfaktor in zig Beispielen eingesetzt. Die Abweichungen bewegten sich grundsätzlich im hinteren Nachkommabereich. Somit kann diese Methode als einwandfrei bezeichnet werden und ist somit eine sehr hilfreiche Methode, die Timmermanns'sche Formel in der Praxis auf einfache Weise ein- und  umzusetzen

Noch als Tipp:


Sollte der Durchmesser beim simulieren zu groß werden, dann verkleinert man das IHA-Volumen. In unserem Beispiel verringert sich der Durchmesser auf 11,36 cm, wenn wir den Absorber statt 15 Liter nur 10 Liter groß machen. Natürlich darf man nicht vergessen, den Durchmesser mit 1,057 zu multiplizieren, so dass er beim praktischen Aufbau 12 cm beträgt.

Natürlich funktioniert die Gegenprobe auch bei diesem willkürlichen Beispiel

Nun könnte man natürlich auf die Idee kommen und das Gehäuse immer weiter verkleinern, aber damit reduziert man auch die Wirkung des Resonators. Übrigens zählt das Volumen des Resonators weiterhin zum Gesamtvolumen der Box, denn unterhalb seiner Abstimmfrequenz ist dieser aus akustischer Sicht offen. Das Ganze kann also theoretisch auch in schon bestehende Gehäuse integriert werden.

Der restliche Raum innerhalb des Lautsprechers kann nun deutlich weniger stark bedämpft werden. Erfahrungsgemäß genügt hier eine Auskleidung der Wände, am besten mit verdichteter Polyesterwatte oder Ähnlichem.


Lohn des Aufwandes ist am Ende ein satter(er) Bass und ein von Störungen freier Grundton, wofür sich ein paar Minuten simulieren und ein paar Cent für ein kleines Brettchen meiner Meinung nach auf jeden Fall lohnen.

 

Viel Spaß beim Berechnen eines IHA auf diese einfache und komfortable Weise.

 

EDIT: K. Föllner, der Entwickler von BassCADe, hat uns darüber informiert,  dass er BassCADe weiterentwickelt hat. Das Programm kann inzwischen die Berechnung eines IHA direkt erledigen. Der Umweg über unseren empirisch ermittelten Korrekturfaktor 1,057 ist somit nicht mehr zwingend notwendig. Vielen Dank für diese tolle Weiterentwicklung.

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