Mini-TQWT mit Sica 3.5 H1 CS Breitbandchassis

Wenn es um die Bestückung eines neuen Projektes geht, haben viele Selbstbauer den italienischen Chassis-Hersteller Sica evtl. gar nicht 'auf dem Schirm'; wie man neudeutsch so sagt. Spätestens seit der Entwicklung der Quintessenz 2.5 bei der ich mich vom hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis der Chassis überzeugen konnte, ist meine Wahrnehmung dahingehend etwas geschärft, denn Sica hat ein überaus interessantes Produktportfolio, das zunehmend auch über deutsche Vertriebswege zugänglich ist. Ich habe bereits weitere Chassis (13er Studio-Woofer, 13er Breiti, 17er Studio-Woofer) im Regal.

Sica bietet unter Anderem auch einen Breitbänder in der beliebten 3-Zoll-Größe an, mit dem wir uns im 'Akustischen Untergrund' beschäftigt haben. Die Rede ist vom Sica 3.5 H1 CS. Dieser bietet neben einer für die Klasse von Chassis recht niedrigen Resonanzfrequenz einen linearen Hub von immerhin +/- 2.5mm sowie generell recht praxisgerechte TSP. Der Preis liegt mit knapp 20,- Euro (je nach Händler) im doch sehr moderaten Bereich. Leider offenbarten die gemessenen TSP ein zunächst gänzlich anderes Bild. Alle vier bestellten Chassis zeigten Qt-Werte von annähernd 0.8 sowie Resonanzfrequenzen um die 110Hz; wohl gemerkt, nach manuellem Walken und längerem Einspielen. Erst ein effektives 'Quälen' der Chassis bei größerem Membranhub bewirkte eine dauerhafte Veränderung der TSP. Das ist zwar ungewöhnlich, weil die meisten Chassis dieser 'Sonderbehadlung' nicht unbedingt bedürfen, hat aber in diesem Fall den gewünschten Effekt gehabt:

Das ist bis auf die immer noch leicht erhöhte Gesamtgüte sehr nahe an den Herstellerangaben. Die Erfahrung, dass bei Sica die Herstellerangaben sehr realistisch sind, habe ich nicht zum ersten Mal gemacht; wenngleich das hier nötige vorherige Bearbeiten der Chassis eher ungewöhnlich war. Mit diesen TSP ließe sich trotz des erhöhten Qt-Wertes sogar noch eine mehr als passable BR-Abstimmung realisieren. Wir (D.A.U.) waren uns aber schnell einig, dass mit dem Chassis eine TQWT realisiert wird. Das sieht dann so aus:

Die Simulation verspricht einen sauberen Frequenzverlauf und im Bass geht es bis immerhin Mitte 50Hz hinunter. Gar nicht so schlecht für einen so kleinen Treiber! Auch störende Port-Resonanzen sind bei den gewählten Positionen von Treiber und Port anscheinend nicht zu erwarten. Für diese Bass-Ausbeute benötigt das Chassis gerademal 4,7 Liter Volumen. Einzig die Faltung der Linie stellte ein kleines Problem dar, denn der Töner muss für diese Abstimmung auf ziemlich genau der Mitte der Linie positioniert werden; würde also bei herkömmlicher Faltung auf dem Deckel der Box sitzen. Daher musste die Linie doppelt gefaltet werden. Herausgekomen ist dadurch eine Box, die seitlich ziemlich genau A4-Format hat und etwas breiter als ein herkömmlicher Aktenordner ist.

Der Größenvergleich mit der Flasche isotonischen Getränks zeigt, wie klein die Box mit ihren 4,7 Litern ist. Das Photo zeigt die Testversion, bei welcher ich den Töner freihand eingefräst habe. Das funktioniert natürlich nie so richtig toll. Daher wird die finale Version mit einer Front aus 4mm Moosgummi kommen, in welche der Töner eingelassen wird. Dann braucht man zum Bau der Box außer einer Bohrmaschine mit Lochfräser und einem Cutter-Messer kein weiteres Werkzeug; was diejenigen, die keine Oberfräse ihr Eigen nennen, freuen dürfte. Die Bedämpfung ist relativ einfach gehalten und es bedurfte lediglich etwas Noppenschaum und Sonofil-Resten aus dem Fundus, um ein vernünftiges Ergebnis diesbezüglich zu erzielen:

Töner und Port sitzen jeweils auf genau 19cm Höhe von außen unten. Sehr schön zu sehen ist, wie der Töner durch die doppelte Faltung der Linie vom Deckel auf die Schallwand 'wandert'. Es wird zudem klar, dass einige Bereiche der Box aufgrund der doppelten Faltung nach dem Aufleimen der zweiten Seitenwand nicht mehr zugänglich sind. Daher muss die Bedämpfung vor dem Leimen hergestellt werden. Während der wenige Noppenschaum im Keil der Box etwas gestopft ist, wurden das Sonofil und der Noppenschaum am Linienende nur relativ locker eingelegt. Das erste Stück Sonofil im Keil etwas fester zu legen / stecken schadet sicher nicht. Alles schön und gut; aber wie klingt es und was sagen die Messungen?

Der gefügte Frequenzgang aus Nahe- und Fernfeldmessung offenbart eigentlich keine Überraschungen. Oberhalb von 13kHz fällt der Frequenzgang rapide ab, wie es schon das Datenblatt zeigt. Wer aber jemals bei Lautsprechermessungen einen Sinus-Sweep hat durchlaufen lassen, weiß, wie wenig das menschliche Gehör oberhalb von 10kHz noch leistet. Das soll nicht bedeuten, dass Hochtöner, die bis 20kHz spielen, Unsinn sind, aber das klanglich wirklich relevante Geschehen spielt sich deutlich unter dieser Marke ab. Um es vorwegzunehmen; obwohl der Sica ab 13kHz keinen nennenswerten Schaldruck mehr liefert, funktioniert das prächtig.  Die Überhöhung im Mittelton durch den Einbau des Töners in ein praxisgerechtes Gehäuse war ebenso zu erwarten wie das 'Gezappel' im Hochton, das sich schon im Datenblatt des Herstellers zeigt. Auch die kleine schmalbandige Überhöhung bei 2kHz ist dort schon zu erkennen. Demzufolge fällt auch die Impedanzmessung des Töners im Gehäuse wie erwartet aus:

Die Abstimmung des Ports lässt erahnen, wie der Bassbereich durch den Portschall erweitert werden wird (s. dazu dann den finalen quasi Freifeld-FG der Box). Die kleine Unsauberkeit bei ca. 2kHz resultiert aus der tönerimmanenten Resonanz, ist schmalbandig und fast 20dB unter Pegel. Zudem strahlt der Port nach hinten, sodass man hier die sprichwörtliche Kirche im Dorf lassen sollte. Die Frage war dann, wie wir den Töner schaltungstechnisch in den Griff kriegen können. Wir haben dazu einen Standard-Ansatz mittels Sperrkreis verfolgt; darüber hinaus haben wir eine weitere Variante entwickelt, die sich zudem noch der kleinen Überhöhung bei 2kHz widmet. Hier zunächst die einfache Variante:

Diese Variante ist absolut hörbar und die Peaks, wei schmalbandig, fallen nicht weiter negativ auf. Damit lässt sich mit großem Spaßfaktor Musik hören und das leichte Gezappel am oberen Ende täuscht evtl. etwas mehr Hochton / 'Funkeln' vor als effektiv da ist. Das läßt sich mit einem einfachen Sperrkreis realisieren, der, wenn beim richtigen Anbieter bestellt, ca. 5 Euro kostet. Für den Alltagsgebrauch dürfte das den meisten klanglichen Ansprüchen absolut genügen. Das sind die Bauteilwerte:

Wir wären aber nicht die Jungs vom D.A.U., wenn wir uns damit zufrieden gäben. Daher haben wir eine etwas aufwändigere Schaltung ausgetüftelt, die sich insbesondere nochmal mit der Überhöhung bei 2kHz auseinandersetzt. Das sind zwar insgesamt vier Bauteile mehr, diese sind aber von solch günstiger Ausführung (0,7mm Spulen und Elkos), sodass die Schaltung für 10 Euro realisierbar ist. Das misst sich so:

Die Peaks sind dadurch recht gut 'eingeebnet' und das Gezappel obenrum geht bereits unter 15° Einwinkelung zurück (blau) und fällt unter 30° (lila) überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Ich habe die Box gehört und nicht ganz auf den Hörplatz eingewinkelt, was in etwa der 15°-Messung entsprechen dürfte, und muss sagen, dass es so auch höheren Ansprüchen absolut genügt. Das Klangbild wird im Vergleich zur einfachen Version nochmal etwas ruhiger und die Box spielt dann auch die Stücke mit kritischen Stellen souverän. Hier die Schaltung:

Daraus ergibt sich für unsere kleine TQWT folgender Gesamtfrequenzgang für eine Abhörposition von ca. 15°:

Die Impedanz zeigt hier sehr gut, wie die Schaltung den 2kHz Peak bügelt. Die Box mag man im HT einen Kompromiß nennen. Aber aus genannten Gründen (menschliches Gehör ab 12kHz) kann man mit der Box Musik hören, ohne dass es im HT effektiv mangelt. Dafür muss die Box, anders als manch anderes Breitbandprojekt mit 3-Zoll Chassis, im Bass keine Kompromisse gehen, denn sie spielt mit ausreichend Pegelreserve tief genug (Mitte 50Hz), kommt mit etwas mehr Membranfläche daher und der Töner ist mit +/-2.5mm linearem Hub auch durchaus belastbar. Sagen wir es so; wir sind mit unserer kleinen 'D.A.U.erei' durchaus zufrieden und stellen mit dem letzten Bild noch kurz die Bauanleitung zur Verfügung. (Maße basieren auf 16mm Materialstärke der Zuschnitte / Angaben in der technischen Zeichnung in cm.)

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Sica Mini TQWT Bauplan.jpg
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Stand Dezember 2015

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Kommentare: 4
  • #1

    T. Olberg (Donnerstag, 10 Februar 2022 09:33)

    Habe gerade ein Paar dieser erstaunlichen Lautsprecher fertig und auf meinem Schreibtisch platziert. Ich muss sagen, wunderbar...der Klang, vor allem im Mittel- und Hochtonbereich, entspricht genau meinen Vorstellungen.
    Mir stellt sich jetzt die Frage, ob man den Bassbereich durch einen kleinen Subwoofer vielleicht etwas aufpeppen könnte. Wird aber wahrscheinlich an meiner technischen Inkompetenz scheitern :).
    Nichtsdestotrotz bin ich begeistert und froh mich an den Bau gewagt zu haben .

  • #2

    Gazza (Mittwoch, 23 März 2022 15:16)

    Moin,

    ich habe die leicht abgeändert schräge Version hier daheim im Einsatz. Ich kann das so bestätigen und freue mich, dass die Box gefällt. Und das ist für uns das Wichtigste; Menschen dazu zu bringen, selbst gute Lautsprecher zu bauen, anstatt sich mit Fertigware zufrieden zu geben.
    Ich würde da eher keinen Subwoofer zu nehmen, so gut der kleine auch Sica ist. Wenn man mit einem Sub unterstützt, der vorhanden ist, kann es auf einen Versuch ankommen. Ansonsten würde ich sagen, dass der Charme dieses Projekts u.a. darin liegt eine gute und günstige Standalone-Lösung zu haben.
    Ich würde eher dazu raten, die Box etwas mehr in Wandnähe zu platzieren, um den Bass darüber etwas zu verstärken.

    LG Gazza

  • #3

    Loki (Donnerstag, 30 März 2023 17:51)

    Ich habe ein Paar dieser kleinen Lautsprecher vor 2-3 Jahren gebaut.
    Die Lautsprecher sind weit über Ihre Größe hinaus absolut Top.
    Ich habe sie spasseshalber an meine Linn Kette mit 165W / Kanal angehängt.
    Als ein Bekannter vorbeigekommen ist, habe ich Dark Side of the Moon aufgelegt.
    Die Dinger haben für Ihre Größe eine unglaubliche Lautstärke rausgehauen und meinen Bekannten aus den Schuhen.
    Ein toller Lautsprecher - Danke für die Entwicklung und das zur Verfügung stellen aller Pläne...

    Gruss aus der Schweiz

  • #4

    Gazza (Freitag, 31 März 2023 00:39)

    Moin,

    das freut, zu hören. Wir sind auch immer wieder erstaunt, was so manch kleines Chassis zu leisten vermag. Diese Art Rückmeldung sind unsere Motivation. Danke dafür und viele Grüße zurück in die Eidgenossenschaft.

    LG Gazza

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Links

  • donhighend.de: Alex baut seit einer gefühlten Ewigkeit Lautsprecher und teilt sein Wissen über seine Site / D.A.U. Mitglied
  • www.gazza-diy-audio.de: relativ neu in der Szene, daher noch wenige aber überzeugende Projekte / D.A.U. Mitglied
  • Roul-DIY: Newcomer in der Entwickler Szene / D.A.U. Mitglied
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