Problemlöser - Geschlossene Box

"Ich habe da noch ein Chassis im Keller liegen, kann ich damit einen Subwoofer bauen?"


So, oder so ähnlich, liest man es sehr häufig in den Foren und Facebook-Gruppen. Anschließend gibt es oft wilde Diskussionen unter den Antwortenden, welche mit mehr oder weniger Fachwissen auf diesem Gebiet aufwarten.

Um nicht die gleichen Antworten immer wieder schreiben zu müssen, gibt es hier eine kleine Anleitung, wie man in diesem Fall vorgehen sollte.

Das Chassis:
Der Erfolg eines Selbstbausubwoofers hängt ganz entscheidend vom Lautsprecherchassis und dessen TSP (Thiele-Small-Parameter) ab. Sehr oft haben No-Name Chassis oder welche aus dem Car-Hifi Bereich eher ungünstige Parameter für Bassreflex-Gehäuse, weshalb wir uns hier vor allem auf geschlossene Gehäuse (im folgenden nur CB für closed Box genannt) konzentrieren wollen.


Die wichtigsten Parameter für die Berechnung eines Gehäuses sind die Gesamtgüte Qts, das Äquivalentvolumen VAS und die Freiluftresonanzfrequenz FS. Mit diesen drei Werten kann man schon ausreichend genau simulieren und gleichzeitig abschätzen, für welche Gehäuseart ein Chassis geeignet ist. Vor allem die Gesamtgüte Qts ist hier ein wichtiger Indikator. Grob kann man sagen, dass Werte unter 0,45 einen Bassreflex-Einsatz zulassen, alles ab 0,45 und darüber eher für geschlossene Gehäuse sprechen.

Gibt es keine TSP zum Chassis und es lassen sich auch im Netz keine Werte finden, kann man streng genommen nicht sagen, welches Gehäuse benötigt wird. Da CB allerdings sehr unkritisch auf Volumenänderungen reagieren, bleibt hier als Notlösung, eine möglichst große, geschlossene Box zu versuchen. Welche Auswirkungen verschiedene Volumina auf unterschiedliche Chassis haben, schauen wir uns nun an.

Das Gehäusevolumen:
Als erstes Beispiel nehmen wir ein Chassis, welches mit Qts von 0,4 (siehe rechte Spalte im Bild) einen sehr brauchbaren Wert für Bassreflex hat und schauen, ob es auch in CB funktioniert. Dazu geben wir die TSP in ein Online-Tool ein, hier im Beispiel nutzen wir den Rechner von micka.de, da dieser auch eine grafische Darstellung des Frequenzgangs bietet:

In der Simulation sieht man nun ein vom Programm errechnetes, ideales Bassreflexgehäuse (schwarz), ein CB mit einer idealen Gehäusegüte von 0,707 (blau) sowie ein von uns bestimmtes Gehäuse (rot).


Unser Beispielchassis läuft wie erwartet recht gut in Bassreflex, benötigt dafür aber satte 110L Volumen. Geschlossen gibt es in den idealen 40 Litern deutlich weniger Tiefgang, was man am Kreuzungspunkt der Kurve zum grün markierten -3dB Pegel oder in der Tabelle bei "Grenzfrequenz" sieht. Erstaunlich ist aber, dass man mit lediglich 25 Liter Volumen kaum Tiefgang einbüßt - und das trotz fast 40% weniger Volumen.


Für einen geschlossenen Subwoofer macht dieses Chassis allerdings etwas wenig Tiefgang mit einer Grenzfrequenz von ca. 60Hz. Wie erwartet funktioniert Bassreflex also besser.

Deshalb schauen wir uns nun einen typischen Car-Hifi Bass an. Dieser hat mit einer Gesamtgüte Qts von 0.55 einen guten Wert für CB:

Das Chassis ist in der Lage, mehr Tiefbass zu liefern als unser erstes Beispiel, deshalb beginnt die Grafik schon bei 0 und nicht erst bei 10Hz. Das soll uns aber nicht weiter stören. Wir sehen, dass es Geschlossen in 75 Liter (blau) nun schon bis etwa 40Hz geht, was für die meisten Anwendungen mehr als ausreichend ist. Auch hier muss man nur wenige Abstriche im Tiefgang machen, wenn man vom idealen Volumen satte 33% abzieht (rot). Man muss aber auch erwähnen, dass es klanglich immer unausgewogener wird, je kleiner man das Gehäuse macht.


Bassreflex würde das Chassis enorm tiefen Bass liefern (schwarz). Ein Blick auf das benötigte Gehäusevolumen von über 360 Liter zeigt aber sehr deutlich, warum Chassis mit einem Qts von über 0,5 in der Praxis nur selten mit einem Bassreflexgehäuse harmonieren.

Schauen wir uns nun noch an, was passiert, wenn man dem Chassis deutlich mehr Volumen spendiert. Viele "Experten" sind der Meinung, dass eine Gehäusegüte von 0,707 schon die Obergrenze für CB darstellt und man eher in Richtung 0,58 abstimmen sollte. Dafür nehmen wir wieder das Chassis aus dem vorangegangenen, zweiten Beispiel und spendieren ihm großzügige 300L, was einer Gehäusegüte von rund 0,6 entspricht:

Wie man sehen kann, gibt es kaum einen Unterschied zwischen den für einen Subwoofer gut handhabbaren 75 Litern und den mehr als unhandlichen 300 Litern Volumen. Auch wenn es klanglich ganz leichte Vorteile bietet, spricht die Praxis meist gegen solch niedrige Gehäusegüten. Es zeigt aber auch, dass man gerne vom ideal errechneten Volumen großzügig nach oben abweichen kann, ohne in irgendeiner Form eine Fehlabstimmung zu riskieren.

Zuletzt simulieren wir noch mit TSP, wie sie für NoName-Chassis üblich sind. Die Gesamtgüte dieser Chassis liegt dabei oft über 0,7 - unser Beispiel hat 0,78. Damit ist eine Gehäusegüte von idealen 0,707 schon nicht mehr möglich, denn diese liegt immer über der Gesamtgüte des Chassis (Qts). Wir simulieren deshalb in diesem Fall mit 0.82, was noch immer eine sehr ausgewogene Wiedergabe erwarten lässt.

Wir sehen, dass bei einem so hohen Qts das Simulationstool bezüglich Bassreflex streikt, weil es einfach keinen Sinn macht.
Geschlossen brauchen wir für eine ausgewogene Wiedergabe satte 400 Liter, was wohl kaum jemand ernsthaft in Erwägung ziehen wird. Reduziert man das Volumen auf praxisgerechte 60 Liter, erhält man eine deutliche Überhöhung im oberen Bass, was schnell zu Dröhnen führen kann. Für einen Partykeller oder ähnliche Einsatzzwecke, bei denen es nicht unbedingt auf höchste klangliche Qualität ankommt, kann man das aber durchgehen lassen. Mehr Volumen wäre aber auf jeden Fall besser.

 

Leider stellen wir auch immer wieder fest, dass viele Leute einzig nach der unteren Grenzfrequenz schauen. Ein CB ist hier gegenüber Bassreflex fast immer im Nachteil, was den Papierwert angeht. Vor allem in der Heimkino-Fraktion wird man wahrscheinlich schnell belächelt, wenn man mit einem Subwoofer in CB und einem -3dB Punkt von 37Hz ankommt. Ein BR-Subwoofer, der dagegen bis 29Hz hinunter reicht, liest sich schon deutlich Tiefbasspotenter.
Doch schauen wir uns mal den Vergleich zweier solcher Subwoofer an:

Bis etwa 60Hz sind CB (rot) und BR (blau) noch gleich auf, darunter spielt der BR-Subwoofer seinen Vorteil aus und ist schließlich bei 35Hz um etwa 2,5dB lauter. Doch darunter wendet sich das Blatt schnell, schon bei etwa 26Hz hat der CB-Sub aufgeholt und macht im Tieftsbass schließlich erheblich mehr Pegel als sein BR Kontrahent.


Wenn man nun noch bedenkt, dass bei typischen Raumgrößen die ersten Bassmoden, also die störenden Dröhnfrequenzen des Raumes, sich im Bereich zwischen 28Hz und 60Hz tummeln, kann man erahnen, dass der BR-Sub in der Praxis deutlich mehr Probleme mit Dröhnen verursacht als das CB-Modell. Ob der Pegelvorteil von BR in diesem Frequenzbereich also wirklich ein Vorteil ist, darf nun jeder für sich entscheiden.

Fazit:
Wenn es um geschlossene Subwoofer geht, muss man sich nicht zwingend an die errechneten Volumina halten. Auch um 20-30% kleinere Volumen funktionieren in der Praxis noch deutlich besser, als schlecht abgestimmte Bassreflexgehäuse. Klanglich werden CB Subwoofer immer wieder sehr unterschätzt und zu unrecht wegen vermeintlich weniger Tiefgang ausgeschlossen.


Selbst ohne Berechnungen kann man noch akzeptable Ergebnisse erhalten, denn: Je mehr Volumen man einem Chassis zur Verfügung stellt, desto größer ist die Chance, dass es auch klanglich überzeugen kann.

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