Cerberus - die etwas andere Bluetooth-Box

Vor einigen Wochen saß ich zusammen mit ein paar Freunden in der Gartenhütte meines besten Freundes, so wie wir das relativ regelmäßig machen, und hörten dabei über seine kleine JBL Bluetooth-Box Musik. Wie das immer so ist, wurden die Pegel dabei sowohl aus alkoholischer Sicht wie auch bei der Lautstärke im Laufe des Abends immer weiter erhöht. Auch wenn aus dem kleinen Ding schon erstaunlich viel herauszuholen ist, war die JBL dann doch recht schnell an ihrer Grenze.
Beim Skiurlaub Anfang Januar sowie kurz danach auf einem Geburtstag konnten die Teufel Boomster XL sowie die Soundboks in Augen und Ohrenschein genommen werden. Klanglich war die Teufel ganz ok, bei hohen Pegeln hat sie aber ständig den Bass komplett abgeschnitten. Die Soundboks konnte zwar gut Pegel, klanglich fiel sie aber dann doch deutlich durch. Vom Preis war ich ehrlich gesagt etwas erschrocken. Ich hatte das Ding eher in die Billig-Schiene eingeordnet.
Was lag also näher, als für dieses Problem etwas Eigens auf die Beine zu stellen!?

Der zukünftige Besitzer gab einen Preisrahmen von rund 200€ vor, was natürlich eine Herausforderung darstellt. Mit konventionellem PA-Equipment kommt man da nicht hin, selbst wenn man in der Billigsparte wildert. So war schnell klar, dass es auf eine Mehrfachbestückung mit sehr billigen Chassis hinauslaufen würde. Zufällig gab es dann gerade auch ein Angebot bei Pollin für einen einfachen 6,5" Tiefmitteltöner, für den gerade einmal 1,50€ pro Stück fällig wurden. Alexander Gresler hatte dieses Chassis schon einmal gemessen und ihm durchaus brauchbare TSP attestiert. In einem geschlossenen Gehäuse benötigt er etwa 14 Liter und erreicht dort eine untere Grenzfrequenz von rund 60Hz – nicht gerade tief, allerdings schaffen die bekannten Kisten auch nicht weniger und da ich satte 9 Stück pro Box einplante, kann man auch aktiv ein wenig nachhelfen. Man sollte aber bedenken, dass diese 9 Chassis in etwa die Membranfläche eines 18" Basses haben, was durchaus für eine gewisse Souveränität sorgen wird. Und das für gerade einmal 13,50€.
Dazu läuft dieser Tiefmitteltöner auch im oberen Frequenzbereich recht gutmütig, so dass man hier auch mit einem kleinen und günstigen Hornhochtöner zurecht kommen sollte.
Leider war dieses Chassis zeitgleich mit der Fertigstellung der Cerberus bei Pollin ausverkauft. Ein Nachbau ist daher kaum noch möglich, dennoch wollte ich das Projekt hier wenigstens vorstellen.

Ganz spontan und auf gut Glück habe ich mir einfach mal aus China ein sehr günstiges Horn zukommen lassen. Für damals aufgerufene 3€ inklusive Versand kann da nicht viel schief gehen. Pünktlich zu unserem DAU-Treffen im Februar wurde dieses dann auch geliefert und so konnten wir hier erste Messungen mit noch vorhandenen, aber leider zu teuren Treibern anstellen.

Die Ergebnisse waren natürlich nicht überragend, aber durchaus in Ordnung und ehrlich gesagt besser, als ich dies erwartet habe.
Nun machte ich mich auf die Suche nach einem günstigen Treiber für meine Hörner und stieß dabei auf LaVoce. Da ich bei der Asathor schon überraschend gute Ergebnisse mit dieser Marke erzielen konnte, orderte ich den günstigen DF10.101LM, auch wenn dieser mit 25€ fast doppelt so teuer war, wie die restliche Bestückung zusammen.
Auch dieser Versuch stellte sich als durchaus gelungen heraus, denn bis auf ein paar Welligkeiten zwischen 2 und 4kHz misst sich das recht ausgewogen.

Da die Box nicht mobil sein muss, konnten wir auf ein konventionelles Aktivmodul zurückgreifen. Bei ebay werden verschiedene Modelle angeboten, das Sioux Amp 200 schien uns ein faires Angebot zu sein, außerdem bot es noch Höhen- und Bassregler, welche bei Bedarf ein wenig nachhelfen können. Das Modul ist tadellos aufgebaut und macht einen wertigen Eindruck. Ob es die angegebenen 200Watt tatsächlich liefern kann, dürfte angesichts des voraussichtlichen Wirkungsgrades von ca. 95dB bei einem Watt eher nebensächlich sein. Ein paar Reserven für den Bassregler sind aber sicher nicht verkehrt.

Um auch kabellose Musikübertragung zu ermöglichen, komplettierte ein Bluetooth-Empfänger die Bestückungsliste.

Die erforderlichen gut 120L umbauter Raum können schon einmal recht störend aussehen, daher kam mir die Idee, die ganze Box im Design der berühmten Marshall-Amps zu gestallten. Da sie vornehmlich mit härteren Klängen gefüttert werden wird, passt das sehr gut denke ich. Genau wie der Name 'Cerberus', welcher einen mehrköpfigen Höllenhund beschreibt, der das Tor zur Unterwelt bewacht.

Zum Aufbau muss man keine allzu großen Worte verlieren, ich habe dem Hochtöner ein eigenes Abteil spendiert, welches auch gleichzeitig der Weiche und dem Verstärker ein gemütliches Plätzchen liefert. Hier zeige ich einfach ein paar Bilder vom Aufbau:

Um Kosten zu sparen, bestand der Zuschnitt zum größten Teil aus 3-Schicht-Platten, welche noch vorhanden waren. Nicht das stabilste Material, aber mit einigen Verstrebungen durchaus brauchbar.

Da die Chassis keine andere Möglichkeit bieten, wurden sie mit Montagekleber in den Fräsungen befestigt. Die Schallwand habe ich schwarz gebeizt, damit sie später nicht durch den Bezugsstoff sichtbar ist.

Das Verschalten der Chassis ist bei dieser Anzahl nicht ganz einfach. Bei 9 Stück ist es aber möglich, sie so zu verbinden, dass sie sich elektrisch wie ein Einzelnes verhalten - nur mit deutlich gesteigertem Wirkungsgrad.

Dann kamen nach und nach alle anderen Bretter zum Einsatz, bis am Ende die fertige Kiste vor mir stand.

Um dem Original möglichst nahe zu kommen, wurde die Box nicht nur mit schwarzem Warnex gefinisht, sondern auch Griffe und Schutzecken angebracht.

Fehlte noch eine passende Abdeckung. Um die große Box nicht zu dunkel und düster wirken zu lassen, entschied ich mich für bronzefarbenen Stoff. Auf einen dünnen Rahmen aus Multiplex-Streifen wurde dieser aufgespannt und das Ganze mit Hilfe einiger kleiner Neodym-Magnete dann unsichtbar an der Box befestigt.


Als I-Tüpfelchen bekam ich von meinem DAU-Freund Rouven noch einen Schriftzug im originalen Marshall-Stil aus dem 3D-Drucker. An dieser Stelle auch noch einmal Danke dafür!

Nun galt es nur noch, der Box auch akustische Manieren beizubringen, damit sich die ganze Arbeit auch gelohnt hat. Die Messungen der Einzelchassis ließen darauf schließen, dass eine Übernahme bei etwa 2,5kHz möglich sein sollte, doch wie sich so viele TMT zusammen verhalten war noch ungeklärt.


Klar war, dass es zwischen den Chassis zu Interferenzen kommen wird und man einen gewissen Abstand benötigt, um diese Störungen in Grenzen zu halten. Daher habe ich auch aus einer größeren Entfernung als den üblichen 1m gemessen, was in einem normalen Wohnzimmer schon nicht mehr ganz einfach ist. Die Messungen haben daher erst oberhalb von etwa 550Hz wirkliche Aussagekraft.

Die angesprochenen Interferenzen sorgten dafür, dass sich die Chassis im Bereich der anvisierten Trennfrequenz um 3kHz recht stark gegenseitig auslöschten. Ein Einbruch im Frequenzgang war die Folge.
Da der Verstärker auch Einstellmöglichkeiten im Hoch- und Tiefton bietet, habe ich auch gleich noch überprüft, wie sich der Regler für die Höhen denn tatsächlich auswirkt. Die Skala reicht von -12 bis +12dB. Ich habe es bei einer Messung jeweils mit halber Reglerstellung belassen:

Grün und schwarz zeigen das Verhalten in neutraler Stellung, allerdings mit unterschiedlicher Glättung des Frequenzgangs. Pink den heruntergeregelten, Türkis den geboosteten Hochton. Man sieht sehr schön, dass die Regelung leider bis weit in den Mittelton Auswirkungen hat. Daher sollte man davon eher die Finger lassen.

Auch der Bassregler nimmt den Grundton und die unteren Mitten in Beschlag. Durch den hohen Leistungsbedarf sollte man hier ohnehin sehr vorsichtig sein:

Nach ein wenig Arbeit an der Weiche, konnte die tiefe Kerbe etwas gemildert werden:

Allerdings kam eine Resonanz des Hochtöners bei 4kHz durch, die man leider auch deutlich hören konnte.

Also wurde die Weichentopologie noch einmal verändert und eine etwas höhere, aber sanftere Beschaltung getestet. Und siehe da, diese sehr simple Beschaltung führte zu einem erstaunlichen Ergebnis.

Nicht besonders linear, aber durchaus ausgewogen mit ganz leichter Badewanne, also etwas leiseren Mitten.

Bis auf einen Sperrkreis, welcher den Baffle-Step korrigiert, besteht die Weiche nur aus einfachen Schaltungen zweiter Ordnung und einem Serienwiderstand für den Hochton:

Für eine dermaßen günstige und außergewöhnliche Bestückung ist das ein wirklich schönes Ergebnis.

Schauen wir nun noch, wie sich der Bassbereich verhält. Dazu muss gesagt werden, dass tiefster Bass kein Entwicklungsziel war und sich ein geschlossenes Gehäuse auch anders verhält als ein Bassreflex-Gehäuse. Die untere Grenzfrequenz einer geschlossenen Box ist selten wirklich beeindruckend tief, so auch bei der Cerberus:

Der Baffle-Step setzt bei dieser Gehäusebreite schon bei 200Hz ein, das heißt hier hat man den Bezugspegel, welchen der Lautsprecher im Idealfall bis in den Hochton hinein hält. Durch die Nahfeld-Messung direkt am Chassis gibt es in dieser Messung aber keinen Baffle-Step, daher fällt ab hier der Frequenzgang ab. Nahfeldmessung und die Messung von weiter oben würden zusammengefügt also etwa so aussehen:

Um 100Hz gibt es eine kleine Erhöhung, welche besonders bei günstigen Lautsprechern nicht unüblich ist, um etwas mehr Bass zu suggerieren, als tatsächlich vorhanden ist. Bei einer Box wie dieser, die vor allem Spaß machen soll, durchaus legitim und sorgt z.B. bei Bassdrums für etwas mehr Kick.

 

Der -3dB Punkt liegt bei etwa 65Hz, was sehr tiefbasslastige Musik wohl etwas dünn wäre. Bei Rock oder Metal sowie den meisten anderen von Hand gespielten Musikarten vermisst man allerdings nichts.

Klanglich durfte sich die Cerberus mit meiner Asathor messen, welche sich Konzeptionell gar nicht so sehr unterscheidet.
Bei sehr gut produzierter Musik, wie man sie auch immer wieder in den DAU-Playlists findet, lässt die Asathor der Cerberus keine Chance. Sie löst besser auf, spielt sauberer und einfach echter. Das war aber zu erwarten, denn für audiophile Hörgenüsse war die Cerberus schließlich nicht gemacht. Also wechselte ich zur zukünftiger Hauptaufgabe, die aus Hardrock und Metal der letzten 50 Jahre bestehen wird.


Die kürzlich veröffentlichte Platte von Ozzy Osbourne liefert einen guten Querschnitt dieses Genres und ist leider wie so viele Alben auch kein echtes Meisterstück, was die Produktion angeht. "Let me hear you scream" sang der alte Haudegen, und man konnte nicht verleugnen, dass die Asathor dies sehr wörtlich nahm. Sowohl Stimme als auch Gitarrenriffs waren aufdringlich und kratzten ab und an doch an der Schmerzgrenze. Nicht so bei der Cerberus. Sie spielt im fraglichen Bereich sehr sanft und etwas zurückhaltend, was bei dieser Musik allerdings genau richtig ist. Es machte höllischen Spaß und animierte zu immer höheren Pegeln.


Dazu kommt ein etwas weniger tief reichenderer, aber druckvollerer Bass als bei der Asathor, was der Spielfreude ebenso zuträglich ist. Vom aufgeblähten Dröhnbass einiger mobilen Kisten ist das aber noch meilenweit entfernt. Das geschlossene Gehäuse sorgt trotz der kleinen Betonung für saubere und trockene Bassschläge.


Überrascht war ich vom Hochtöner. Auch wenn er im Vergleich das deutlich kostspieligste Chassis ist, zählt er dennoch zu den günstigsten Vertretern seiner Art. Doch das hörte man ihm nicht an, im Gegenteil. Die Auflösung war ausgezeichnet und erinnerte eher an eine gute Kalotte.


Alles in Allem bin ich mit der Cerberus mehr als zufrieden. Sowohl die optische, als auch die klangliche Umsetzung entsprechen genau dem, was am Anfang auf dem Wunschzettel stand und wir werden damit in der Post-Covid-19 Zeit noch viel Freude haben.

 

 

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Links

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